In diesem Artikel aus der Reihe Arbeitsrecht Basics erfahren Sie, welche Voraussetzungen eine betriebsbedingte Kündigung hat und was ein Sozialplan bzw. ein Interessenausgleich ist.
1. Voraussetzungen der betriebsbedingten Kündigung
Betriebsbedingte Gründe sind eine mögliche Rechtfertigung, die das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für eine Kündigung nennt. Wenn Ihr Betrieb unter das KSchG fällt und Sie selbst länger als sechs Monate im Betrieb angestellt waren, braucht Ihr Arbeitgeber einen dieser Gründe, um Ihnen wirksam zu kündigen.
Damit die betriebsbedingte Kündigung rechtmäßig ist, müssen 4 Voraussetzungen erfüllt sein:
- Betriebliche Erfordernisse
Ihr Arbeitgeber muss nachweisen, dass er Ihre Arbeitskraft dauerhaft nicht mehr benötigt. Das kann der Fall sein, weil
– eine Abteilung oder ein Betriebsteil geschlossen werden, aber auch weil
– Arbeitsabläufe so verändert werden, dass bestimmte Arbeitsplätze wegfallen.
Die finanzielle Gesamtsituation ist hierfür alleine nicht entscheidend – aber oft der Auslöser für betriebliche Veränderungen.
Wichtig ist: Der Arbeitgeber muss das Ganze nachvollziehbar erläutern können: Warum führt die Änderung der Organisation dazu, dass weniger Arbeit geleistet werden muss. Ein gerne verwendetes aber nicht immer stichhaltiges Wort dabei ist: Synergieeffekte…
- Dringlichkeit
Es darf keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen geben. Das heißt, es darf keinen anderen vergleichbaren und freien Arbeitsplatz geben, für den Sie aufgrund Ihrer Ausbildung oder Erfahrung in Betracht kommen.
- Interessenabwägung
Hier werden das Interesse des Arbeitgebers zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Arbeitnehmerinteresse an der Fortsetzung des Verhältnisses abgewogen. Eine Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn das Arbeitgeberinteresse überwiegt.
- Sozialauswahl
Schließlich muss der Arbeitgeber die sog. „Sozialauswahl“ richtig durchgeführt haben. Dafür muss der Arbeitgeber bestimmen, welche Arbeitnehmer (über den ganzen Betrieb und alle Bereiche hinweg) vergleichbar sind und wen eine Kündigung am wenigsten belasten würde. Entscheidend für die Belastung sind die Kriterien:
– Betriebszugehörigkeit
– Lebensalter
– Unterhaltspflichten
– Schwerbehinderung.
Bestimmte Arbeitnehmer kann der Arbeitgeber aus der Sozialauswahl aber – rechtmäßig wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes – herausnehmen.
2. Drei Gründe für die Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung
Neben allgemeinen Unwirksamkeitsgründen – z.B. weil der Arbeitgeber sich nicht an die notwendige Form oder Frist gehalten hat – bieten sich bei der betriebsbedingten Kündigung drei wichtige Möglichkeiten, die Wirksamkeit der Kündigung anzuzweifeln:
a. Versucht der Arbeitgeber allein mit einem Umsatzrückgang oder Auftragswegfall zu argumentieren, ist das in der Regel nicht ausreichend. Stattdessen kann dies nur der Grund für eine Organisationsänderung (Restrukturierung) sein. Diese muss dann wiederum einen Arbeitsplatzwegfall zur Folge haben. Für die Wirksamkeit der Kündigung ist erforderlich, dass dieser Zwischenschritt nachvollziehbar vom Arbeitgeber dargelegt werden kann.
b. Eine andere Möglichkeit ist, die Dringlichkeit anzuzweifeln. Hier hilft es, im Unternehmen gut vernetzt zu sein und von freien Stellen zu wissen aber auch ein Blick in die internen oder im Internet verfügbaren Stellenausschreibungen kann helfen.
WICHTIG: Eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung besteht auch, wenn
- Sie zunächst eine Einarbeitung auf der neuen Position benötigen, oder
- eine zumutbare Weiter- oder Fortbildungsmaßnahme notwendig erforderlich ist, um den anderen Arbeitsplatz zu besetzen, oder
- Sie mit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden sind.
Sie sollten Ihrem Arbeitgeber mitteilen, dass Sie zu einer Umschulung oder Fortbildung oder ggf. zu Gesprächen über die Änderung von Arbeitsbedingungen bereit sind, wenn Sie dadurch für andere Arbeitsplätze in Betracht kommen.
c. Die Sozialauswahl ist anspruchsvoll und daher fehleranfällig. Hierbei ist wichtig, ob der Arbeitgeber die Vergleichsgruppe ordnungsgemäß ausgewählt hat und ob er die Kriterien für die individuelle Schutzwürdigkeit richtig bewertet hat. Ist die „Reihenfolge“ durch falsche Annahmen oder nicht ordnungsgemäße Punkteverteilung falsch, ist die Kündigung unter Umständen unwirksam.
3. Wie läuft die Sozialauswahl im Einzelnen ab?
Die Überprüfung der Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung erfolgt in drei Schritten:
a. Horizontale Vergleichbarkeit
In die Sozialauswahl sind alle „austauschbaren Arbeitnehmer“ der gleichen betrieblichen Hierarchieebene einzubeziehen. Das heißt, es müsse alle Arbeitnehmer verglichen werden, die auf Stellen sitzen, auf die der Arbeitgeber Sie rechtmäßig entsprechend Ihrer vertraglichen Versetzungsklausel versetzen kann. Je weiter die Versetzungsklausel dabei gefasst ist (z.B. konzernweit), desto größer wird die Vergleichsgruppe.
b. Auswahlentscheidung
Entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG sind bei der Kündigung ausschließlich die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
- Lebensalter
- Unterhaltspflichten
- Schwerbehinderung
Um diese sehr unterschiedlichen Aspekte vergleichen zu können, werden häufig Punktesysteme verendet. Hier entspricht dann ein Jahr Betriebszugehörigkeit einer bestimmtem Punktanzahl und die Unterhaltspflicht für Kinder einer bestimmten Punktanzahl. So können alle Kriterien bewertet und die Arbeitnehmer in eine bestimmte Reihenfolge gebracht werden.
c. Herausnahme Einzelner – „Leistungsträgerklausel“
Der Arbeitgeber kann bei der Auswahl Arbeitnehmer herausnehmen, deren Weiterbeschäftigung „im berechtigten betrieblichen Interesse“ liegt. Dabei reicht es jedoch nicht aus dies damit zu begründen, dass der Arbeitnehmer im Vergleich zu einem anderen beispielsweise weniger krankheitsanfällig sei. Ein Berechtigtes Interesse läge aber z.B. darin, dass ein Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen bestimmtes Know-How hat, dass der Arbeitgeber nach der Restrukturierung noch benötigt. Ein weiteres berechtigtes betriebliches Interesse kann auch die „Erhaltung der Personalstruktur des Betriebes“ darstellen. Wie man schon am Wortlaut des Gesetzes merkt, sind hier eher weiche Faktoren ausschlaggebend, die eine gerichtliche Überprüfung erschweren.
d. Sonderfälle: Einigung mit dem Betriebsrat
Der Arbeitgeber hat in Betrieben mit Betriebsrat zwei Möglichkeiten, die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ zu beschränken.
Er kann mit dem Betriebsrat Auswahlrichtlinien gem. § 95 BetrVG vereinbaren, die bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen sind – dabei können neben den gesetzlichen Kriterien weitere Kriterien in den Katalog hinzukommen und insbesondere können sich die Betriebsparteien über die „Wertigkeit“ der verschiedenen Kriterien einigen. Wie „richtig“ oder „gerecht“ das ist, ist dann nur noch eingeschränkt gerichtlich zu überprüfen.
Noch weiter geht ein Interessenausgleich mit Namensliste: Hierin stehen die zu kündigenden Mitarbeiter mit Namen. Dies bewirkt zugunsten des Arbeitgebers die Vermutung, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen und es kommt zu einer Umkehr der „Darlegungs- und Beweislast“: Sie sind als Arbeitnehmer verpflichtet, das Fehlen eines Kündigungsgrundes zu beweisen. Das Gericht überprüft dann die Namensliste nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit.
4. Interessenausgleich
Ein Interessenausgleich ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die im Fall einer Betriebsänderung § 111 BetrVG geschlossen werden kann. Betriebsänderungen sind z.B. Stilllegung des gesamten Betriebs oder von Betriebsteilen oder dessen Verlegung aber auch die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren. Gemeinsame Voraussetzung ist immer, dass die Änderungen zu wesentlichen Nachteilen – wie z.B. betriebsbedingten Kündigungen – für die Belegschaft führen können.
In einem Interessenausgleich geht es um das „Ob“ der Betriebsänderung bzw., wenn dies bejaht wird auch um das „Wieviel“ und das „Wann“. Der Interessenausgleich ist damit so etwas wie der „Plan“ für die Betriebsänderung – insbesondere auch für das Ausmaß der voraussichtlichen Entlassungen bzw. die Reichweite von Verlegungen der Betriebsstätte.
Allerdings ist ein Interessenausgleich freiwillig: Betriebsrat und Arbeitgeber müssen zwar über ihn verhandeln – können sich die Betriebsparteien nicht einigen, kommt es nicht zu einem Interessenausgleich. Darüber hinaus hat der Interessenausgleich nicht den Charakter einer Betriebsvereinbarung und begründet keine einklagbaren Rechtsansprüche für die Arbeitnehmer. Das heißt, wenn der Arbeitgeber vom Interessenausgleich abweicht, kann es zwar zu einem Anspruch auf Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 2 BetrVG für einen Mitarbeiter führen, aber in der Regel nicht dazu, dass er seine Stelle behalten darf, wenn statt der geplanten 100 Mitarbeiter 101 abgebaut bzw. versetzt werden.
5. Sozialplan
Interessenausgleich und Sozialplan gehen oft Hand in Hand. Wenn der erste den bloßen Fahrplan für die Betriebsänderung darstellt, dann ist der Sozialplan der Zug, der zum geänderten Betrieb fährt. Hier wird geregelt, wie der Arbeitgeber die wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ausgleichen wird. Das heißt – um bei dem Bild des Zuges zu bleiben – es ist unter Umständen auch geregelt, wer wann und mit wieviel Gepäck aussteigt. Das kann alles Mögliche sein:
- Bei einer Verlegung des Betriebs, sind hier oft der Ausgleich für höhere Fahrtkosten oder Fahrtzeiten zur Arbeit für einen gewissen Zeitraum geregelt.
- Bei der Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen, sind in der Regel Abfindungsregelungen enthalten.
- Geht es um die Einführung neuer Arbeitsmethoden, so finden sich Regelungen zu Fort- und Weiterbildungen – und dazu, nach welchen Kriterien sich die Auswahl der Weiterzubildenden richtet. Es kann aber auch um Löhne und Arbeitszeiten gehen.
Anders als der Interessenausgleich ist der Sozialplan ein scharfes Schwert: Mit wenigen Ausnahmen enthält der Sozialplan klagbare Rechtsansprüche für die Arbeitnehmer, die von seinen Regelungen betroffen sind.